Tierschutzverordnung (TSchV) 

Erläuterungen, Ergänzungen, Präzisierungen

Einleitung

Am 23. April 2008 hat der Bundesrat eine neue Tierschutzverordnung (TSchV) verabschiedet. Diese trat zusammen mit dem Ende 2005 beschlossenen Tierschutzgesetz am 1. September 2008 in Kraft. Eine Revision trat per 10. Januar 2018 in Kraft, welche aber nur unwesentliche Änderungen für Schildkrötenhalter beinhaltet.

In dieser Verordnung sind zahlreiche Bestimmungen enthalten, die für die Schildkrötenhaltung in der Schweiz relevant sind. Die SIGS fühlt sich der artgerechten Tierhaltung verpflichtet und unterstützt die für die Schildkrötenhaltung relevanten Bestimmungen der Bundesverwaltung. Einige Mitglieder des SIGS-Vorstandes waren an der Erarbeitung der schildkrötenrelevanten Bestimmungen aktiv beteiligt. Die SIGS empfiehlt jedoch ihren Mitgliedern, die angegebenen Mindestgrössen für Gehege und Schildkrötenteiche in der praktischen Umsetzung wenn immer möglich, flächenmässig deutlich grosszügiger zu gestalten.

Nachfolgend sollen alle Bestimmungen aufgeführt werden, die der private, nicht gewerbsmässige Schildkrötenhalter in der Schweizer Tierschutzverordnung zu beachten hat.

Artikel 85: Anforderungen an Personen, die Wildtiere halten oder betreuen.

Für Schildkröten, die privat gehalten werden und bewilligungspflichtig sind (siehe Artikel 89) ist ein Sachkundenachweis erforderlich. In der Schweiz gibt es den Verein sara-ch (Sachkunde Reptilien Amphibien Schweiz), welcher von Mitgliedern der DGHT-Landesgruppe Schweiz  gegründet und vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV)  anerkannt ist. Diese Kurse zur Erlangung des Sachkundenachweises sollen das notwendige Wissen zur artgerechten Haltung und Pflege der Tiere vermitteln. Riesen- und Meeresschildkröten müssen unter der Verantwortung von Personen betreut werden, die über eine Ausbildung zum Tierpfleger/Tierpflegerin verfügen.

Artikel 89: Privates Halten von Wildtieren (betreffend Schildkröten)

Das private Halten folgender Wildtiere ist bewilligungspflichtig:

  • Meeresschildkröten (Cheloniidae, Dermochelyidae)
  • Galapagos- und Seychellen-Riesenschildkröten (Chelonoidis nigra, Dipsochelys spp.)
  • Spornschildkröte (Geochelone [Centrochelys] sulcata)
  • Alligatorschildkröten (Chelydridae)
  • Schlangenhalsschildkröten (Chelidae)
  • Pelomedusenschildkröten (Pelomedusiae)
  • Grosse Weichschildkröten (Amyda cartilaginea, Aspideretes nigricans, Chitra spp., Pelochelys spp., Rafetus spp., Trionyx triunguis)
  • Grosse Schienenschildkröten (Podocnemis expansa)
  • Grosse asiatische Flussschildkröten (Batagur borneensis, Orlitia borneensis)

Artikel 92: Wildtiere mit besonderen Ansprüchen an Haltung und Pflege.

Für folgende Tierarten darf die kantonale Behörde die Bewilligung nur erteilen, wenn das Gutachten einer unabhängigen und anerkannten Fachperson nachweist, dass die vorgesehenen Gehege und Einrichtungen eine tiergerechte Haltung ermöglichen:

  • Meeresschildkröten (Cheloniidae, Dermochelyidae)
  • Galapagos- und Seychellen-Riesenschildkröten (Chelonoidis nigra, Dipsochelys spp.)
  • Spornschildkröte (Geochelone [Centrochelys] sulcata)

Artikel 93: Tierbestandeskontrolle

Für die haltebewilligungspflichtigen Schildkrötenarten muss eine Tierbestandeskontrolle geführt werden.

Artikel 94: Bewilligungsverfahren

Das Gesuch ist an das Veterinäramt des Kantons, in dem die Tiere gehalten werden sollen, zu richten.

Artikel 95: Bewilligungsvoraussetzungen

Die Bewilligung wird nur erteilt werden, wenn:

  • Räume, Gehege und Einrichtungen der Art und Zahl der Tiere sowie dem Zweck des Betriebes entsprechen und die Tiere nicht entweichen können,
  • die Tiere, soweit nötig, durch bauliche oder andere Massnahmen gegen Witterung, Störung durch Personen, übermässigen Lärm und Abgase geschützt sind

Artikel 96: Bewilligung

Die erteilte Bewilligung ist maximal zwei Jahre gültig und muss danach immer wieder zur Erneuerung angemeldet werden. Die Bewilligung kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. 

Anhang 2 der Tierschutzverordnung 

Im Anhang 2 werden die Mindestanforderungen für das Halten von Wildtieren (mit oder ohne Bewilligung) aufgeführt.

Vorbemerkungen

Die Flächen- und Raummasse legen die kleinste jeweils zulässige Gehegegrösse fest. Die Gehege dürfen auch nicht kleiner sein, wenn weniger als die in den Tabellen genannte Zahl von 2 Tieren darin gehalten wird. Abtrenngehege, die die Mindestanforderungen nicht vollumfänglich erfüllen, dürfen nur für die kurzfristige Haltung von Tieren verwendet werden.

Die Tabellen nennen die höchstzulässige Zahl von erwachsenen Tieren im Gehege mit Mindestmassen. Dazu dürfen im selben Gehege deren Jungtiere gehalten werden. Die Mindestgehegegrösse richtet sich nach dem grössten Individuum, das im Gehege gehalten wird. Der weitere Platzbedarf richtet sich nach der Grösse der anderen Tiere.

Werden in einem Gehege mehrere Arten gehalten, die den Raum in gleicher Weise nutzen, so sind bei der Berechnung von Flächen und Volumina von jener Art mit den höheren Anforderungen an die Gehegemindestgrösse auszugehen. Die Flächen und Volumina für die weiteren Tiere der Art und für die Tiere der anderen Arten sind entsprechend den Anforderungen "für jedes weitere Tier" nach diesem Anhang dazuzuzählen.

Werden in einem Gehege mehrere Arten gehalten, die den Raum in unterschiedlicher Weise nutzen, so dürfen in dem für die Art mit dem grössten Raumanspruch vorgesehenen Volumen nach diesem Anhang die übrigen Arten gehalten werden, ohne dass der Raum vergrössert werden muss.

Bei Arten, die besondere Ansprüche z.B. an Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Bodensubstrat oder Nahrung stellen, sind diese Ansprüche zu berücksichtigen, auch wenn dazu in der Tabelle keine Angaben gemacht werden.

Für Arten, für die ein Aussengehege vorgeschrieben ist, kann auf ein solches verzichtet werden, wenn den Ansprüchen der jeweiligen Tierart anders Rechnung getragen wird, beispielsweise durch geöffnete Fenster oder Schiebetüren bzw. -dächer, sofern Sonnenlicht bei geeigneter Aussentemperatur direkt einstrahlen kann oder die Gehege durch künstliches Licht, mit tageslichtähnlichem Spektrum, beleuchtet werden. In diesem Fall müssen die Masse der Innengehege mindestens jenen für Aussengehege entsprechen oder, falls Aussen- und Innengehege vorgeschrieben sind, deren Gesamtfläche. Verhalten wie Graben oder Überwintern in Höhlen sind dabei zu berücksichtigen.

Bei der Gruppenzusammensetzung sind, ungeachtet der zulässigen Belegung nach den Tabellen, die Sozialstruktur der jeweiligen Art und die Verträglichkeit der Individuen angemessen zu berücksichtigen.

Die Gehege müssen, ungeachtet der in den Tabellen im Einzelnen festgehaltenen Vorgaben, mit den der jeweiligen Art entsprechenden Funktions- und Klimabereichen angemessen ausgestattet sein. Der für die jeweilige Art optimalen Raumnutzung ist grosse Beachtung zu schenken.

Gehege müssen mit Tageslicht oder mit nicht flimmerndem Kunstlicht, das ein der Tierart entsprechendes Lichtspektrum aufweist, beleuchtet werden.

Bei allen, auch den in diesem Anhang nicht aufgeführten Arten, sind die spezifischen Anforderungen an Ernährung, Sozialstruktur, Klima einschliesslich Mikroklima, Substrat, Schwimm- oder Badegelegenheit, Grab- und Rückzugsmöglichkeiten sowie andere Infrastruktur wie Abtrennmöglichkeiten oder Komforteinrichtungen (z.B. Suhlen) zu erfüllen. Gehege für nicht aufgeführte Arten müssen so viel Raum aufweisen, dass die notwendigen Strukturen darin geeignet angeordnet werden können, um die jeweils spezifischen Anforderungen zu erfüllen. Als Richtschnur gelten entsprechende Fachgutachten auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Mit der Fütterung sind die arttypischen Merkmale der Nahrungsaufnahme (räumlich und zeitlich variierendes Futterangebot, Futterbeschaffung, Futterbearbeitung und Dauer der Futteraufnahme) zu simulieren. Die Tiere müssen so gefüttert werden, dass ihre besonderen Ansprüche, ungeachtet der in den Tabellen im Einzelnen festgehaltenen Vorgaben, ausreichend berücksichtigt sind.

In naturnah gestalteten Grossgehegen erfolgt die Überprüfung des Wohlergehens der Tiere durch eine ausreichend häufige und regelmässige Kontrolle des Funktionierens der Anlage und der technischen Einrichtungen, einschliesslich betreffend Ausbruchsicherheit, durch das Sicherstellen, dass die Tiere ihre Nahrungsbedürfnisse befriedigen können und angemessene Lebensbedingungen vorfinden, sowie durch eine Bestandesüberwachung.

Gehege müssen so gewartet und betrieben werden, dass die besonderen klimatischen und hygienischen Ansprüche der verschiedenen Tierarten, ungeachtet der in den Tabellen im Einzelnen festgehaltenen Vorgaben, ausreichend berücksichtigt sind.

Vorbemerkungen zu den Reptilien (Schildkröten betreffend)

Die Gehegegrösse muss sich, unter anderem wegen der teils enormen Unterschiede zwischen adulten und juvenilen Tieren, nach der Körperlänge des gehaltenen Individuums richten. Die Körperlänge bedeutet bei  Schildkröten die Panzerlänge (Carapax-Stockmass). Die Gehegegrösse wird in der Tabelle in der Masseinheit «Körperlänge» (KL) angegeben. Werden mehrere unterschiedlich grosse Tiere zusammen gehalten, so ist die Körperlänge des grössten Tieres als Masseinheit für die Berechnung der Gehegegrösse gemäss Tabelle zu verwenden. Ergibt sich rechnerisch ein höherer Wert als 2,2 m, so kann die geforderte Gehegehöhe aus praktischen Gründen auf 2,2 m beschränkt werden. In diesem Fall ist die Gehegefläche proportional so zu vergrössern, dass das Mindestgehegevolumen eingehalten ist.

Die besonderen Ansprüche der jeweiligen Tierart an Temperatur (Ektothermie), Luftfeuchtigkeit und Licht sind zu berücksichtigen. Genaue Informationen sind der aktuellen Terraristikliteratur und den Fachinformationen des BLV zu entnehmen.

Gehege für wehrhafte Reptilien (wie Schnapp- und Geierschildkröten) sind so zu gestalten und zu betreiben, dass den Sicherheitsaspekten ausreichend Rechnung getragen wird. Die Gehege müssen mit Sicherheitsverschlüssen (Schlösser, Verschlussriegel usw.) ausgerüstet sein. In öffentlich zugänglichen Tierhaltungen müssen sie mit Sicherheitsglas sowie Schlupfkästen oder Absperranlagen versehen sein.

Für die Quarantäne, zur Behandlung von Krankheiten und Unfällen, zur Eingewöhnung, zur Zucht und Aufzucht und für die Winter- oder Kältestarre oder die Trockenruhe können Tiere vorübergehend in kleineren Gehegen gehalten werden.

Angegeben ist die Wassertiefe an der tiefsten Stelle des Bassins. Bei manchen Arten müssen zudem flachere Bereiche vorhanden sein.

Rechenbeispiel zur Berechnung der Mindestfläche des Schildkrötengeheges

Haltung von drei Griechischen Landschildkröten (Testudo hermanni) mit folgenden Abmessungen (Bauchpanzerlängen in Meter): 0.25 m, 0.25 m, 0.20 m.

Berechnung:

  • Für zwei Schildkröten: Gehegelänge x 8 x Körperlänge x Gehegebreite x 4 x Körperlänge
  • Für jede weitere Schildkröte: Gehegelänge x 2 x Körperlänge x Gehegebreite x 2 x Körperlänge
Nr. Körperlänge (KL) in m Benötigte Fläche (m2)
1 0.25  2.00
2 0.25
3 0.20  0.16
Total  2.16

Die SIGS empfiehlt, die in diesem Beispiel berechnete, gesetzlich geforderte Mindestfläche von 2.16 Quadratmetern zu erhöhen, um einer artgerechten Haltung der bewegungsfreudigen Schildkröten genügend Rechnung zu tragen. Ebenso wichtig ist eine gute Strukturierung mit Steinen, Wurzeln etc. des Geheges bzw. Teiches.