Vermehrung und Aufzucht von mediterranen Landschildkröten 

Die Aufzucht von mediterranen Landschildkröten (Griechische Landschildkröte Testudo hermanni, Maurische Landschildkröte Testudo graeca, Breitrandschildkröte Testudo marginata) sollte sich an der Natur orientieren. Schildkrötenaufzuchten, die in Gestalt und Farbe den Tieren in freier Natur entsprechen, sind das  Ergebnis einer artgerechten und nachhaltigen Schildkrötenhaltung. Die Lebensbedingungen von Jungtieren der mediterranen Landschildkröten in freier Natur weichen nicht grundsätzlich von jenen der geschlechtsreifen Schildkröten ab. Ab erstem Lebenstag ernähren sich die Jungtiere gleich wie ihre Elterntiere und auch sie halten während der kalten Jahreszeit bereits im ersten Jahr eine Winterstarre. Einen wichtigen Unterschied gibt es allerdings: Jungtiere haben einen höheren Feuchtigkeitsbedarf. Ausserdem müssen Jungtiere aufgrund ihrer geringen Grösse vor Fressfeinden geschützt werden.

Mit dem Versuch, Schildkröteneier erfolgreich auszubrüten, übernimmt der Schildkrötenhalter die Verantwortung, alles zu tun, um die Schlüpflinge artgerecht zu halten und zu gesunden, geschlechtsreifen Schildkröten heranwachsen zu lassen. Verantwortungsbewusste Schildkrötenhalter erzielen deshalb nur so viele Nachzuchten wie sie selber halten oder an andere Halter abgeben können. Zu viele "überzählige" Schildkröten finden immer noch den Weg in die Schildkröten-Auffangstationen oder werden einfach ausgesetzt. Es ist wünschenswert, dass sich die Schildkrötenhalter selber eine Beschränkung auferlegen und, wenn überhaupt, nur in geringer Zahl Eier ausbrüten. 

Eiablage, Inkubation, Schlupf

Ab Mai bis Ende Juli legen geschlechtsreife Weibchen der mediterranen Landschildkröten ihre Eier ab. Je nach Alter und vorherrschendem Klima werden bis zu drei Gelege mit jeweils 2 bis 10 Eiern in den Bodengrund vergraben. Die Weibchen legen mit ihren Hinterbeinen eine 10 bis 15 cm tiefe Eigrube an. Als Eiablagestelle suchen sie sich meist die wärmste Stelle im Gehege aus. Möglichst gut besonnte Erdhügel erleichtern es ihnen die geeignete Stelle zu finden. Unsere Sommertemperaturen genügen meistens nicht, dass die Eier auf natürliche Art durch die Sonne ausgebrütet werden. Deshalb überführt man die Eier ohne diese zu drehen in einen Brutapparat. Inkubatoren für Reptilieneier können im Fachhandel gekauft oder aber auch mit relativ geringem Aufwand selber hergestellt werden. Im Internet sind zahlreiche Bauanleitungen zu finden. Das Geschlecht der Schlüpflinge wird durch die Inkubationstemperatur beeinflusst. Bei Temperaturen über 30° C entwickeln sich vorwiegend Weibchen, darunter Männchen. Aufgrund des herrschenden Überschusses an Männchen sollten die Eier bei mindestens 31° C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70-90 % inkubiert werden. Bei diesen Bedingungen werden die Schildkröten nach etwa 2 Monaten schlüpfen. Bei konstanten Bruttemperaturen über 33°C steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es während der embryonalen Entwicklung zu Schildanomalien kommt. Nächtliche Temperaturabsenkungen um bis zu 5°C simulieren den Temperaturverlauf in den Brutgebieten in freier Natur und sind für eine gesunde Entwicklung der Schildkröteneier von Vorteil. Sind die Schildkrötenbabys geschlüpft und der Dottersack eingezogen, werden sie in das für die Jungtiere vorgesehene Aufzuchtgehege umgesetzt. 

Legenot:
Finden die Weibchen im Gehege keine geeignete Ablagestelle, weil keine stark besonnten Plätze oder keine grabfähigen Stellen zum Anlegen einer Eigrube vorhanden sind, kann eine Legenot eintreten. Die Weibchen wandern mehrere Tage nervös im Gehege umher, ohne ihre Eier ablegen zu können. Störende Artgenossen oder Schlechtwetterperioden können ebenfalls zu Legenot führen. Bei Kälteeinbrüchen kann deshalb die Installation einer Wärmelampe hilfreich sein. Bei Verdacht auf Legenot gilt es, unverzüglich einen fachkundigen Tierarzt aufzusuchen, der die Weibchen auf im Körper vorhandene Eier röntgt und allenfalls die Eiablage mit Medikamenten künstlich einleitet.

Haltung von Jungtieren

Mediterrane Landschildkröten müssen zur artgerechten Haltung während ihrer Aktivitätsphase dauernd, das bedeutet Tag und Nacht, draussen gehalten werden. Dies gilt ebenfalls für Schlüpflinge. Die bei Jungtieren häufig anzutreffende Innen- bzw. Terrarienhaltung verunmöglicht eine gesunde Entwicklung der jungen Schildkröten. Saisonale Temperaturschwankungen, ab- oder zunehmende Sonnenscheindauer sowie die nächtliche Abkühlung sind für europäische Landschildkrötenarten wichtige klimatische Faktoren, die nur durch eine konsequente Aussenhaltung ermöglicht werden können. 

Ein Frühbeetkasten mit den Ausmassen von 1 x 1 Meter oder 2 x 1 Meter stellt für die Wärme liebenden Landschildkröten aus dem Mittelmeerraum ein ideales und überschaubares Aufzuchtgehege dar. Sobald sich ein paar Sonnenstrahlen zeigen, erwärmt sich der Frühbeetkasten sehr schnell und die Schildkröten können ihre Körpertemperatur auf optimale Werte steigern. Das ermöglicht den Jungtieren unser nasskaltes mitteleuropäisches Klima im Frühjahr und Herbst sowie anhaltende Schlechtwetterperioden im Sommer gut zu überstehen. Bei kalter Witterung ohne Sonneneinstrahlung kann durch eine Wärmelampe die für die Schildkröten tagsüber notwendige Umgebungstemperatur erreicht werden. Bewährt haben sich Wärmestrahler mit Thermostat, die sich bei Bedarf selber einschalten. Nachts benötigen die Schildkröten keine zusätzliche Wärmequelle. Die Lichtqualität der Wärmelampe ist dabei nicht entscheidend, da die Schildkröten, die während der ganzen Aktivitätszeit draussen gehalten werden, genügend natürliches Sonnenlicht erhalten. Voraussetzung dafür ist bei sonnigem und warmem Wetter das Entfernen mindestens eines Teils der Frühbeetkastendeckel sowie eine gut besonnte Lage des Aufzuchtgeheges. Ein starkes Netz oder ein Drahtgeflecht verhindert das Eindringen von Fressfeinden in den offenen Frühbeetkasten. Nachts bleibt der Frühbeetkasten vollständig verschlossen. Dadurch sind die Jungtiere gut gegen Füchse, Marder, Elstern und Krähen geschützt. Wichtig ist die Installation eines einfachen, öldruckbetriebenen Lüfters, der durch Anheben eines Frühbeetkastendeckels eine Überhitzung der Schildkröten verhindert. Ein Frühbeetkasten wird vorzugsweise auf ein Fundament aus Beton, Holz oder Ähnlichem verschraubt. 

Als Bodengrund im Aufzuchtgehege dient ein Gemisch aus lockerer Erde und 
nährstoffarmem Kalkgestein (z.B. Jurakalk). Das lockere Substrat ermöglicht den Jungtieren das Eingraben im Bodensubstrat. Das Gehege wird mit grösseren Steinen, welche als Wärmespeicher dienen, mit Grasbüscheln und anderen ein heimischen oder mediterranen Pflanzen sowie Totholz gestaltet und gut strukturiert. Neben den Pflanzen werden kleine Holzhüttchen, Tontöpfe oder Korkrindenstücke, teilweise mit Stroh gefüllt, gerne als Versteck- und Übernachtungsplätze angenommen. Jungtiere in den ersten Lebensjahren zeichnen sich durch eine versteckte Lebensweise aus. Neben dem angeborenen Instinkt zum Schutz vor Fressfeinden müssen sich die jungen Schildkröten auch vor Überhitzung und Austrocknung schützen. Ihr geringes Körpervolumen macht sie auf diese mikroklimatischen Gefahren besonders anfällig. Eine weitere Möglichkeit stellt eine kombinierte Frühbeet/Freilandhaltung dar, analog eines Geheges  für ausgewachsene Tiere. Allerdings sollte die Freilandfläche kleiner sein und vollständig durch Gitterabdeckungen, starken Netzen oder Ähnlichem gegen Fressfeinde geschützt sein. Im Gehege wird mindestens alle zwei Tage frisches Wasser in einem flachen Schälchen angeboten. Durch Auffüllen mit Kieselsteinen wird verhindert, dass die Jungtiere in der Wasserschale ertrinken können. Man kann auch auf eine Wasserschale im Gehege verzichten und die Tiere einmal pro Woche in einer flachen Schale mit frischem, nicht zu kaltem Wasser unter Beobachtung solange baden, bis sie fertig getrunken haben und unruhig umherlaufen. 

Notwendige Feuchtigkeit bei der Aufzucht von Jungtieren:
Finden die Weibchen im Gehege keine geeignete Ablagestelle, weil keine stark besonnten Plätze oder keine grabfähigen Stellen zum Anlegen einer Eigrube vorhanden sind, kann eine Legenot eintreten. Die Weibchen wandern mehrere Tage nervös im Gehege umher, ohne ihre Eier ablegen zu können. Störende Artgenossen oder Schlechtwetterperioden können ebenfalls zu Legenot führen. Bei Kälteeinbrüchen kann deshalb die Installation einer Wärmelampe hilfreich sein. Bei Verdacht auf Legenot gilt es, unverzüglich einen fachkundigen Tierarzt aufzusuchen, der die Weibchen auf im Körper vorhandene Eier röntgt und allenfalls die Eiablage mit Medikamenten künstlich einleitet.

Fütterung

Jungtiere werden gleich ernährt wie ihre geschlechtsreifen Artgenossen. Die grundlegenden Informationen dazu erhalten Sie auf der Seite Ernährung mediterraner Landschildkröten. Dabei ist auf eine mengenmässig zurückhaltende Fütterung zu achten. Wenn am Abend nicht alles aufgefressen wurde, war die angebotene Menge zu gross. Die Gefahr, dass Jungtiere bei zu reichhaltiger Fütterung zu schnell wachsen, einen höckerigen Rückenpanzer erhalten sowie unnatürliche Fettpolster anlegen, ist relativ gross.

Überwinterung

Leider werden viele Jungtiere warm überwintert, das heisst, ihnen wird die Winterstarre vorenthalten. Die geltende Tierschutzverordnung verlangt, dass mediterrane Landschildkröten, auch Schlüpflinge, kalt überwintert werden. Gerade für ein gesundes Wachstum der Jungtiere ist die Winterstarre von grosser Bedeutung. Alle mediterranen Landschildkrötenarten halten in freier Natur ab erstem Lebensjahr eine winterliche Ruhephase. Eine verkürzte Überwinterung für 
Jungtiere ist ebenso falsch, wie das Halten der Tiere im Innenterrarium während der kalten Jahreszeit. Nähere Informationen zur Winterstarre sind auf der Seite Die Überwinterung von mediterranen Landschildkröten zu finden. 

Häufige Fehler bei der Aufzucht von Jungtieren

  • Fehlendes natürliches Sonnenlicht während der Aktivitätsphase
  • Vorenthaltene Winterstarre
  • Aufzucht im Innenterrarium
  • Zu trockene Haltung
  • Ungeeignetes und mengenmässig zu reichhaltiges Futter
  • Ungenügender Schutz vor Fressfeinden wie Füchse, Marder, Elstern und Krähen
  • Heu im Aufzuchtgehege ist ungeeignet, da es schnell schimmelt. Stroh und Laub sind hingegen geeignet und werden gerne als Versteckmöglichkeit benutzt. Stroh und
    Laub sind regelmässig auszuwechseln.
  • Schmutziges oder abgestandenes Wasser ist mit Krankheitskeimen besetzt und gefährdet  die Gesundheit der Schildkröten. Wasserschalen regelmässig reinigen und an der Sonne trocknen lassen. 

Verfasser: Stefan Kundert, © Schildkröten-Interessengemeinschaft Schweiz (SIGS) 2023