Überwinterung von mediterranen Landschildkröten 

Kalte Temperaturen und fehlendes Futterangebot zwingen die wechselwarmen Wirbeltiere, die kalte Jahreszeit in der sogenannten Winterstarre zu überdauern. In diesem Zustand verharren sie regungslos, die Körpertemperatur gleicht der tiefen Temperatur der Umgebung. Herzschlag, Atmung und Stoffwechsel sind stark reduziert. In freier Wildbahn halten alle mediterranen Landschildkrötenarten (Griechische Landschildkröte Testudo hermanni, Breitrandschildkröte Testudo marginata, Maurische Landschildkröte Testudo graeca) bedingt durch die tiefen Wintertemperaturen in ihrem Lebensraum eine Winterstarre. Dies gehört zum natürlichen Jahreszyklus dieser Schildkröten. Je südlicher und wärmer das Verbreitungsgebiet, desto kürzer fällt die Winterstarre aus. Besonders
kurz ist sie bei Maurischen Landschildkröten aus Nordafrika. In den wärmsten Regionen wird die Winterstarre hin und wieder unterbrochen, um während einiger Stunden die wärmenden Sonnenstrahlen aufzunehmen. Im Durchschnitt dauert sie etwa 5 Monate, von Mitte Oktober bis Mitte März. Interessanterweise erwachen im Frühjahr oft die Männchen vor den Weibchen. Breitrandschildkröten begeben sich später in die Winterstarre als Griechische Landschildkröten und erwachen im Frühjahr auch früher. 

In Winterstarre fallen sowohl geschlechtsreife Tiere als auch Schlüpflinge bereits im ersten Winter nach dem Schlupf. Deshalb sollen alle mediterranen Landschildkröten jeden Alters auch in Menschenobhut eine kontrollierte Winterstarre halten können. Mediterranen Landschildkröten die Winterstarre zu verwehren ist Tierquälerei. Es gibt nur einen einzigen Grund die Überwinterung künstlich zu verhindern, nämlich dann, wenn eine Schildkröte vor der Überwinterungsphase erkrankt oder verletzt ist.

Vorbereitung

Die Vorbereitung zur Winterstarre beginnt schon viele Wochen vor der eigentlichen Ruhephase. Das Hirn der Schildkröte registriert die abnehmende Lichtdauer (Tageslänge) und die abnehmenden Umgebungstemperaturen. Die Aktivitätsdauer der Schildkröte wird kürzer, die aufgenommene Nahrungsmenge stetig kleiner, bis die Nahrungsaufnahme schliesslich ganz eingestellt wird. In den letzten Tagen vor der Winterstarre graben sich die Tiere immer tiefer und länger ins Substrat ein, bis sie schliesslich gar nicht mehr aus ihrem Versteck hervorkriechen und im Erdreich vergraben bleiben. Der Start der Ruhephase ist individuell sehr unterschiedlich und kann bis zu einem Monat auseinander liegen.

Überwinterung im Frühbeetkasten oder Gewächshaus

Ein Frühbeetkasten, bzw. ein Gewächshaus, ist für eine artgerechte Haltung im Freilandgehege sehr sinnvoll und erlaubt die ganzjährige Freilandhaltung der Schildkröten. Für die Überwinterung muss aber eine gegen Mäuse abgesicherte Grube von mindestens 50 cm Tiefe vorhanden sein. Diese Grube wird mit einem Gemisch aus feuchtem Rindenhäcksel und lockerer Gartenerde gefüllt. Wichtig ist es, den Boden der Grube mit einer Drainage zu versehen, damit eindringendes Wasser abfliessen kann. Die Vorbereitungsphase auf die bevorstehende Winterstarre kann naturnah und ungestört ablaufen und wird nicht durch den Menschen aufgrund des Umsetzens in die Überwinterungskiste gestört. Eine zeitweise eingesetzte Wärmelampe unterstützt dabei den Prozess zur Winterstarre wie in der Natur, wo auch an Oktobertagen die Sonne das Habitat noch kräftig erwärmen kann. Nachdem sich die Schildkröten selbständig in der Überwinterungsgrube zur Winterstarre begeben haben, wird die Substratfeuchte nochmals überprüft. Das Substrat soll deutlich feucht, fast nass sein. Anschliessend wird eine dicke Schicht nasses Buchenlaub oder Stroh in den Frühbeetkasten gefüllt. Die Schildkröten graben sich je nach Bedürfnis in die für sie geeignete Substrattiefe ein. Die Frühbeetkastenabdeckung verhindert das Eindringen von Wildtieren und dient als zusätzliche Wärmedämmung. Der so isolierte Boden wird niemals gefrieren und gewährleistet konstante Umgebungsbedingungen, da witterungsbedingte Wärme- oder Kälteeinbrüche die Bodentemperatur kaum beeinträchtigen. Im Frühjahr wird die Laub- oder Strohschicht entfernt und der Boden erwärmt sich aufgrund des Treibhauseffektes relativ rasch. Die Schildkröten erwachen selbständig aus der Winterstarre und geniessen die ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Ein automatischer Fensterheber verhindert Hitzestau und eine Wärmelampe sorgt an kühlen Frühjahrstagen für genügend zusätzliche Wärme.

Die Überwinterung im Gewächshaus entspricht weitgehend derjenigen im Frühbeetkasten. Im Gewächshaus kann man aber auf die Überwinterungstemperaturen stärker Einfluss nehmen. Vorteilhaft ist die gegenüber einem Frühbeetkasten zusätzlich nutzbare Fläche. Diese dient den Schildkröten in den ersten Wochen nach dem Erwachen aus der Winterstarre bei kalten Aussentemperaturen als grosszügiges Innengehege. 

Bewertung "Frühbeetmethode":
Naturnahe Methode, bei der die Schildkröten sich selbständig auf die Winterruhe vorbereiten und auch Beginn und Dauer selber bestimmen. Dadurch werden die Schildkröten kaum gestresst und die Methode ist sehr sicher. Die Tiere und die Substratfeuchte können im Winter zwar kaum kontrolliert werden, aber das ist  bei dieser Methode auch nicht nötig.
Erste Wahl, sehr empfehlenswert!

Überwinterungsmethoden ausserhalb des Freilandgeheges 

Freilandüberwinterung:
Eine unkontrollierte Überwinterung im Freiland kann temperaturbedingt zum Tod der Schildkröten führen. Weiter besteht die Gefahr, dass die schutzlos eingegrabenen Schildkröten von Mäusen oder Ratten angefressen werden.
Sehr riskant und nicht zu empfehlen!

Ist die Überwinterung im Frühbeetkasten oder Gewächshaus nicht möglich, müssen die Schildkröten in speziell eingerichteten Kisten an einem kühlen Ort überwintern. Die Kisten müssen mindestens so gross sein, dass die Tiere sich gut darin drehen und eingraben können. Mit zunehmendem Substratvolumen nimmt  die Gefahr der Austrocknung ab, auch deshalb sollten die Kisten so gross wie möglich sein. Als praxistauglich haben sich Kunststoff- oder Holzkisten mit einer Grundfläche von etwa 60 cm x 40 cm erwiesen. Werden mehrere Tiere darin überwintert, muss für jedes genug Platz vorhanden sein, damit sie sich nicht gegenseitig stören. Ausgewachsene Tiere werden am besten einzeln überwintert. Die Kisten werden mit einem Gemisch aus Rindenhäcksel und lockerer Gartenerde soweit gefüllt, dass sich die Schildkröten vollständig darin eingraben können. Idealerweise belässt man die Schildkröten solange im Freilandgehege, bis sich diese selbständig für die Winterstarre eingegraben haben und überführt sie erst dann in die vorbereitete Kiste und überdeckt sie mit feuchtem Buchenlaub. Die Kiste wird mit einem luftdurchlässigen Deckel verschlossen. Kleine Löcher im Boden verhindern Staunässe. Wo nötig sind die Kisten gegen Mäuse, Ratten und Marder abzusichern. Der Ort, der für die Überwinterung vorgesehen ist, muss Temperaturen zwischen 2 und 6°C aufweisen, ruhig und dunkel sein. Lärm, Licht und Erschütterungen wirken sich störend auf die Ruhephase der Schildkröten aus.

Vor- und Nachteile der Überwinterung ausserhalb des Geheges:
Bei der Überwinterung ausserhalb des Geheges können die Schildkröten gut kontrolliert werden. Solche Kontrollen stellen für die Tiere aber eine Störung dar und sind umstritten. Das Substrat muss periodisch kontrolliert und nötigenfalls neu befeuchtet werden. Ein Nachteil ist, dass über Beginn und Ende der Winterstarre der Mensch und nicht die Schildkröte entscheidet. Ausserdem besteht die Gefahr, dass im Herbst Schildkröten im Freiland nicht mehr gefunden werden, wenn sich diese bereits eingegraben haben. 

Kalter Innenraum oder Lüftungsschacht

Eine alt bewährte Methode ist die Überwinterung der Schildkröten in einem kühlen Raum mit konstant tiefen Temperaturen zwischen 2 und 6°C. Eine periodische Kontrolle der Raumtemperatur ist unabdingbar. Allenfalls ist ein Frostwächter zu installieren. In solchen Räumen herrschen meist konstante Umgebungsbedingungen und witterungsbedingte Wärme- oder Kälteeinbrüche haben auf die Raumtemperatur kaum Auswirkungen. In neueren Gebäuden sind solche Räume aber kaum noch vorhanden. Eine mögliche Alternative kann da ein Lüftungsschacht sein. Die Eignung als Überwinterungsort muss aber vor dem ersten Gebrauch durch Beobachten der Temperaturen im Winter abgeklärt werden. Der Lüftungsschacht muss abgedunkelt, mäusesicher abgesperrt und vor eindringendem Regen geschützt sein. 

Bewertung kalter Innenraum und Lüftungsschacht:
Abgesehen von den oben erwähnten Nachteilen ist diese eine gute Überwinterungsmethode, vorausgesetzt es steht ein Raum mit Temperaturen zwischen 2 und 6° C zur Verfügung. Bei Lichtschächten ist eine verstärkte Kontrolle der Temperatur nötig.
Empfehlenswert!

Kühlschrank

In den letzten Jahren wird mangels geeigneter Alternative häufig ein eigens dafür vorgesehener Kühlschrank zur Überwinterung von Schildkröten eingesetzt. Als Überwinterungskiste werden dann kleinere Kunststoffboxen gewählt. Die Temperatur wird auf 4 - 6°C eingestellt. Geeignet sind nur neuere Modelle, die zuverlässig, geräusch- und erschütterungsarm arbeiten. Der Kühlschrank sollte für einen guten Luftaustausch wöchentlich kurz geöffnet werden. Eine Wasserschale im Kühlschrank sorgt für zusätzliche Feuchtigkeit. In der Literatur wird diese Methode oft gepriesen, sie ist aber weit weniger gut als ihr Ruf. Die Kühlschrankmethode ist nur dann zu empfehlen, wenn alle anderen hier aufgeführten Methoden nicht möglich sind. Falls sie zum Einsatz kommt, ist gegenüber den anderen Methoden ein grösserer Kontrollaufwand erforderlich. Die Rückmeldungen von "Überwinterungsunfällen" sind bei der Kühlschrankmethode am grössten. 

Bewertung "Kühlschrankmethode":
Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Überwinterungstemperatur eingestellt werden kann. Das Temperaturgefälle im Kühlschrank kann aber erheblich sein und in der Nähe der Kühlschlangen besteht sogar die Gefahr von Erfrierungen. Das Substrat trocknet wegen der geringen Luftfeuchtigkeit rasch aus und muss immer wieder befeuchtet werden. Durch die häufig notwendigen Kontrollen und die Erschütterungen beim Ein- und Ausschalten des Kompressors werden die Schildkröten immer wieder gestört. Bei grösseren Beständen gibt es Platzprobleme.
Notlösung, weniger empfehlenswert!

Fehler bei der Überwinterung

Vorenthaltene Überwinterung

Aus Angst vor Todesfällen verhindern unwissende Schildkrötenhalter die natürliche und lebenswichtige Phase der Winterstarre, indem sie insbesondere Schlüpflinge und Jungtiere über den Winter ins warme Zimmerterrarium setzen. Dies führt zu Fehlentwicklungen, Krankheit und schlussendlich zum vorzeitigen  Ableben. 

Baden vor der Winterstarre

Aus älterer Literatur stammt der unsinnige Hinweis, dass die Schildkröten vor dem Einwintern gebadet werden sollen, damit sie ihren Darm entleeren können.  Das bedeutet für die Schildkröte eine Stresssituation. Die Entleerung des Darmes erfolgt durch die abnehmende Futtermenge im Herbst und nicht durch unnatürliche, vom Mensch erzwungene Wasserbäder.

Überwinterungssubstrat

Wenn Schildkröten während der Winterstarre Gewicht verlieren, ist das auf einen unnatürlichen Wasserverlust zurückzuführen. Ursache ist ein zu trockenes Überwinterungssubstrat. Bei der Überwinterung ausserhalb des Geheges muss das Substrat mindestens alle 14 Tage überprüft und allenfalls mit der Giesskanne kurz überbraust werden. Alle Laubarten ausser Buchenlaub sind als Überwinterungssubstrat ungeeignet, da sie entweder schimmeln oder Gerbsäure abgeben. Torf und andere Substrate, die Staub bilden, führen zu Atemproblemen und belasten die Lungen. Heu schimmelt schnell und fördert Krankheitskeime.

Zu kurze Zeitspanne zwischen Entwurmung und Überwinterung

Bei übermässigem Wurmbefall müssen die Schildkröten entwurmt werden. Damit das Medikament seine Wirkung entfalten kann, muss der Stoffwechsel der Schildkröte in vollem Gange sein. Nach der Behandlung muss die Schildkröte noch längere Zeit aktiv bleiben, damit das Medikament abgebaut und die abgetöteten Parasiten ausgeschieden werden können. Eine Entwurmung sollte deshalb am besten im Sommer, spätestens im August erfolgen.

Vor dem Einwintern die Schildkröte nicht ins warme Haus nehmen!

Ein häufiger Fehler ist, dass die wichtige Phase der Vorbereitungszeit auf die Winterstarre, ausgelöst durch die stetig kürzer und kühler werdenden Tage, unterbrochen wird. Sobald die Schildkröte in ein warmes, lichtdurchflutetes Zimmerterrarium gesetzt wird, gerät sie in einen unnatürlichen Zustand. Ihr Körper ist eigentlich auf die bevorstehende Winterstarre eingestellt, die Umgebung passt aber plötzlich weder vom Temperatur- noch Tageslichtverlauf dazu. Die Schildkröte gerät dadurch in einen gefährlichen Dämmerzustand und nimmt kaum Nahrung zu sich. Wegen der zu hohen Temperaturen ist der Stoffwechsel zu wenig herabgesetzt und das Tier verfällt nicht in Winterstarre. Hält dieser Zustand über längere Zeit an, kann die Schildkröte ernsthaft erkranken. 

Verfasser: Stefan Kundert, © Schildkröten-Interessengemeinschaft Schweiz (SIGS) 2023