Überzählige Schildkröten - was nun?

Veränderte Lebensumstände bei den Tierhaltern, Schildkröten, die sich nicht vertragen oder unverhoffte Naturbruten können dazu führen, dass Schildkrötenhalter in die Situation kommen,  ihre Tiere oder einen Teil davon, abgeben zu müssen. In einer solchen Situation kann es sein, dass Tierhalter in Bedrängnis geraten und sich überlegen, ihre Tiere an einem scheinbar geeigneten Ort in der Natur auszusetzen. Dies ist weder für die betroffenen Land- oder Wasserschildkröten, noch für die Natur sinnvoll. Deshalb ist das Aussetzen oder Zurücklassen von Tieren gesetzlich verboten und wird bestraft. Siehe dazu auch folgende Seiten:

Auf dieser Seite geben wir Anregungen, was verantwortungsbewusste Halter mit überzähligen Schildkröten tun können.

Die SIGS-Vorstandsmitglieder und Sektionsleiter bieten im Rahmen ihrer Möglichkeiten den SIGS-Vereinsmitgliedern ihre Unterstützung an. Sie üben ihre Beratungstätigkeit jedoch als Freiwillige in ihrer Freizeit aus. Es besteht keine Pflicht der SIGS, Schildkröten zu vermitteln oder neue Haltungsplätze zu finden.

Schildkröten-Auffangstationen in der Schweiz

In den Auffangstationen herrscht mehrheitlich Platzmangel. Deshalb sollte wenn immer möglich eine eigene Lösung für nicht mehr erwünschte Schildkröten gefunden werden. In erster Linie werden Schildkröten in den Auffangstationen aufgenommen, die durch Schicksalsschläge oder unvorhergesehene Ereignisse wie Todesfall oder Krankheit nicht mehr selber versorgt werden können.

Aufgrund des natürlichen, aggressiven Verhaltens von Männchen gegenüber Weibchen oder generell Artgenossen wird häufig die Abgabe von Männchen von Land- oder Wasserschildkröten angestrebt. Da in der Regel nur ein oder wenige Männchen in einem Gehege oder Teich verträglich sind, gestaltet sich eine Abgabe an eine Auffangstation unter Umständen sehr schwierig.

Mögliche Lösungsansätze im Umgang mit überzähligen Land- oder Wasserschildkröten

Massnahmen für eine bessere Verträglichkeit der Schildkröten im Gehege bzw. im Gartenteich

Es gibt Möglichkeiten, das Problem von aggressiven Männchen innerhalb der Gruppe eines Geheges oder Teiches zu entschärfen.

Erweiterung und verbesserte Strukturierung des Geheges oder Freilandteiches

Eventuell besteht die Möglichkeit, die eigene Anlage zu vergrössern oder ein separates Gehege bzw. ein separater Teich für die aggressiven Männchen einzurichten. Eine gute Strukturierung eines Geheges für Landschildkröten mit Erdhügeln, grösseren Steinen, Wurzeln und niedrigen Büschen (Sichtschutz und Versteckmöglichkeiten) hilft den Weibchen nicht ständig den paarungswütigen Männchen ausgesetzt zu sein. 

Kastration von Männchen

Die operative Kastration von Männchen mit aggressivem Paarungsverhalten führt zu einer deutlichen Reduzierung bis vollständigen Einstellung des aggressiven Verhaltens der Männchen. Die Kastration wird von spezialisierten Tierärzten und Tierärztinnen durchgeführt. Sie löst zugleich das zunehmende Problem der Naturbruten.

Details zur Kastration

Bildung von Männchen-Gruppen in Gehegen und Teichen

Viele Schildkrötenhalter haben gute Erfahrungen mit der Haltung von reinen Männchen-Gruppen gemacht. Das Zusammenleben von fünf bis zehn adulten Männchen ohne Kontakt mit weiblichen Tieren funktioniert in vielen Fällen erstaunlich gut. In der ersten Phase einer neu gebildeten Männchen-Gruppe ist eine wiederkehrende und häufige Beobachtung der Gruppe notwendig und erfordert allenfalls eine vorübergehende oder permanente Separierung einzelner Schildkröten.

Falls eine Abgabe von Tieren unerlässlich ist

Als neue Halter von abzugebenden Schildkröten kommen sowohl langjährige Schildkrötenhalter als auch interessierte Personen in Frage, die bereit sind, sich Fachwissen anzueignen und als Halter Verantwortung für die langlebigen Tiere zu übernehmen. Neuhalter sollten, wenn immer möglich, mit Rat und Tat  unterstützt werden. Unsere Webseiten über die artgerechte Haltung von Schildkröten helfen Neueinsteiger, das Wichtigste zur Schildkrötenhaltung leicht verständlich zu erlernen.

Folgende Interessensgruppen, Plattformen und Medien können genutzt werden, um potenzielle Abnehmer für die Abgabetiere zu finden:

Plattformen von Organisationen, Behörden und Arbeitgeber

Viele Arbeitgeber betreiben eigene Plattformen, wo man private Inserate aufschalten kann. Diese Plattformen sind in der Regel nur für Mitarbeitende des Unternehmens zugänglich.

Verwandtschaft und Freundeskreis, Schulgemeinschaften,  Sportvereine, Musikvereine, Hobby- und Interessengruppen

Nicht selten ergeben sich im privaten Umfeld die besten und nachhaltigsten Möglichkeiten, überzählige Schildkröten zu platzieren.

Schweizer Facebook-Interessengruppe von und für Schildkrötenhalter

Die Facebook-Interessengruppe "Freunde der Schildkröten" strebt wie die SIGS die artgerechte Haltung von Schildkröten an. Die Plattform dient der Vernetzung der Schildkrötenhalter untereinander an und dient der Wissensvermittlung. Die Vermittlungsplattform der "Freunde der Schildkröten" unterliegt klaren Regeln für Verkaufs- und Suchinserate, die stets eingehalten werden müssen.

Verkaufsplattformen im Internet

Auf Anibis und Tutti findet ein teilweise unwürdiger Tierhandel statt. Es werden von verantwortungslosen Züchtern massenhaft Jungtiere zu Spottpreisen angeboten. Allerdings gibt aber auch Angebote von verantwortungsbewussten Haltern. Wenn man sich im Vorfeld über diese Problematik im Klaren ist, spricht grundsätzlich nichts dagegen, auf diesen Plattformen ein Inserat aufzuschalten, um einen tier- und artenschutzgerechten Platz für seine Schildkröten zu finden.

Der SIGS-Dachverband veröffentlicht auf Anibis und Tutti zielgerichtet Inserate unter dem Titel "Kaufen Sie keine Jungtiere – geben Sie Tieren aus den Auffangstationen eine Chance!". Damit möchte die SIGS der immer noch verbreiteten massenweise Nachzucht und Verkauf über Internetplattformen entgegenwirken.

Tierärzte, Zoofachgeschäfte, Gemeinde, Kirche, Dorfladen etc.

Mit dem Aushang von Inseraten an den genannten Orten in der näheren Umgebung können mit etwas Geduld interessierte Schildkrötenhalter auf günstige Weise erreicht werden.

Abgabe ins Ausland

Aufgrund der benötigten Formalitäten wie Exportbewilligungen und grenztierärztliche Untersuchungen ist die Abgabe von Schildkröten ins Ausland mit grossem Aufwand und relativ hohen Kosten verbunden. Ausserdem ist die Situation in den umliegenden Ländern dieselbe wie in der Schweiz. Auch dort werden für zahlreiche, überzählige Schildkröten neue Lebensplätze gesucht. Deshalb ist es nicht ratsam, die Schildkröten ins Ausland auszuführen. Eine unbewilligte Ausfuhr (Schmuggel) kann an der Grenze zur Beschlagnahmung der Tiere führen und wird mit hohen Bussen bestraft. 

Weitere Tipps für eine erfolgversprechende und verantwortungsbewusste Platzierung von Schildkröten

Verantwortungsbewusste Schildkrötenhalter, die für überzählige Tiere einen Platz suchen, publizieren keine reisserischen Inserate. Schlagworte wie "Gratis abzugeben" locken in erster Linie "Schnäppchenjäger" an. Eine Übernahme von Schildkröten soll deshalb durchaus mit einem bescheidenen Übernahmepreis verbunden sein.

An der Übernahme interessierte Personen sollen Ihr Verantwortungsbewusstsein unbedingt mit Fotos vom Gehege, vom Frühbeet und vom Überwinterungsplatz beweisen. Idealerweise besuchen sich der aktuelle und der zukünftige Halter gegenseitig, um die Schildkröten und das Gehege zu besichtigen. In der Diskussion kann ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis oder sogar eine anhaltende Freundschaft entstehen. Der ideale Übergabezeitpunkt der Tiere liegt im April oder Mai. In diesen aktiven Monaten sind die Weibchen noch nicht mit der Suche von geeigneten Eiablagestellen beschäftigt und können das neue Gehege frühzeitig kennenlernen.

Verfasser: Annina Gaschen und Rolf Brun, © Schildkröten-Interessengemeinschaft Schweiz (SIGS) 2023